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Dienstag, 17. Mai 2011

03 Familylife

03 Familylife

Ich glaube, man konnte mit absoluter Sicherheit sagen, dass ich etwas verwirrt, aufgeregt und ah… verwirrt war.
Ich meine, mich hatte gerade ein Mädchen – noch dazu hübsch und älter als ich – gefragt oder viel mehr beauftragt, mit ihr auf ein Date zu gehen. Äh ja, das dürfte den verwirrt Teil erklären. Und den aufgeregten vielleicht auch.
In unserer Schule war ich, seitdem ich hier war, so ziemlich der Außenseiter. Am Anfang hat es mich noch extrem gestört, weil ich eigentlich gehofft hatte, hier wenigstens ein paar Freunde zu finden, aber bisher war das nicht der Fall gewesen. Wahrscheinlich erwarteten die meisten, dass ich eines Tages einfach austickte, allein weil ich ein Waisenkind war und die letzten 6 Jahre von Pflegefamilie zu Pflegefamilie weitergereicht worden war.
Die Menschen hier kannten einfach nicht das Leben außerhalb ihrer Stadtgrenze oder wenn überhaupt nur aus dem Fernseher. Irgendwie traurig, aber wenigstens standen sie da nicht ganz allein da.
Klar, Rose war nett und alles. Zumindest gelegentlich. Sagt ihr das ja nicht, obwohl, sie würde es sowieso nicht glauben. Aber trotzdem hielt auch sie ihren Abstand. Nur ihre Eltern behandelten mich, als wäre ich tatsächlich ein Teil dieser Familie.
Esme war eine richtige Mutter. Es wunderte mich eigentlich, dass sie nicht mehr als nur ein Kind hatte. Aber ich sollte mich wohl besser nicht beschweren, oder? Außerdem war sie eine exzellente Köchin. Unser Verhältnis war irgendwie seltsam. Manchmal fühlte es sich so an, als ob sie tatsächlich der Meinung wäre, dass ich ihr leiblicher Sohn war und dann gab es wieder Tage, an denen sie eindeutig Probleme damit hatte, dass ich da war. Ich verstand es nicht, aber meist verkroch ich mich an diesen Tagen sowieso auf meinem Zimmer, denn dann war Esme nicht die einzige, die scheinbar verrücktspielte. Ich war bis jetzt nicht dahinter gekommen, was dahinter steckte, aber eigentlich hatte es mich auch nicht zu interessieren.
Carlisle war eigentlich ganz in Ordnung. Ich sah ihn eigentlich nur selten, da er meist im Krankenhaus arbeitete. Aber wenn er da war, versuchte er wenigstens, ein wenig Zeit mit mir zu verbringen. An den Tagen, an denen Esme sich seltsam verhielt, war er wie ausgewechselt. Meist starrte er nur vor sich hin, aber wenn ich ihn auf dem falschen Fuß erwischte, motzte er mich auch mal an. Das war extrem verstörend. Meist brauchte ich dann nicht mal einen Grund zu liefern, damit ich Hausarrest oder sonstiges bekam. Und wenn es dann ganz schlecht lief, war Rose auch noch in der Nähe und stauchte mich wegen irgendetwas zusammen, dass ich nicht mal getan haben musste, wofür ich dann letzten Endes noch länger Hausarrest bekam.
Ich verbrachte diese Tage also nicht immer freiwillig in meinem Zimmer.
Aber wo hätte ich auch sonst hin gehen sollen? Freunde hatte ich schließlich keine. Also verschanzte ich mich in meinem Zimmer, bis der Wahnsinn wieder ein Ende gefunden hatte. Das alles passierte immer in regelmäßigen Abständen, aber ich hatte noch nicht genau sagen können, was das alles auslöste.
Ich hoffte nur gerade inständig, dass so eine ‚Episode‘ nicht in dieser Woche kommen würde. Nicht wenn ich endlich Zeit mit jemandem verbringen konnte, der nicht Teil der Familie war und nicht irgendwelche Horrorgeschichten hören wollte – wie meine Mitschüler immer auf diese ganzen Geschichten kamen, die angeblich in den Heimen oder Pflegefamilien stattgefunden haben sollen, war mir bis heute schleierhaft.
Noch bevor Bella gegangen war, hatte ich all meinen Mut zusammengerafft und sie gefragt, ob Dienstag für sie in Ordnung wäre. Ich hatte halb erwartet, dass sie mir ins Gesicht lacht, aber erstaunlicherweise hatte sie nur kurz genickt und mir gesagt, ich solle sie um 18 Uhr bei sich abholen. Ich hatte nur etwas dümmlich genickt und gegrinst. Okay, dann hatte sie gelacht und mir auch noch in die Wange gekniffen.
Ja, das hatte meinem Ego nicht gerade den Schub gegeben, aber ich nahm, was ich von ihrer Aufmerksamkeit bekam.
Abends, als wir alle am Tisch saßen und zu Abend aßen, musste Rose natürlich meine Pläne – mein Date oder was auch immer das genau war – an ihre Eltern verraten. Esme hatte sich gefreut, denke ich. Jedenfalls fragte sie erst mich und dann Rose aus, wie Bella denn so sei. Mir gingen nämlich irgendwann die Worte aus. Ich hatte immerhin nicht allzu viel Zeit mit ihr verbracht. Und wenn man mal drüber nachdachte noch weniger Zeit, wenn man den ersten Abend ausließ, weil sie da ein wenig übergeschnappt war… Das erzählten wir natürlich nicht den Eltern.
Carlisle blieb im Gegensatz zu Esme ziemlich ruhig und beobachtete mich nur den gesamten Abend über. Ich versuchte währenddessen seinem Blick auszuweichen und so zu tun, als ob dieser mich nicht störte. Natürlich war das gelogen, aber ich wollte nicht, dass er mein Hoch kaputt machte, indem er irgendetwas sagte wie ‚Das Mädchen ist zwei Jahre älter als du und du kennst sie überhaupt nicht. Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?‘ oder sowas. Keine Ahnung, ob er das wirklich sagen würde, aber das taten Eltern doch, oder? Bis jetzt war ich schließlich noch nicht in so einer Situation gewesen.
Esme und Rose plapperten während des gesamten Essens fröhlich weiter. Irgendwann hatten sie sogar das Thema gewechselt. Carlisles starrer Blick wurde erst dann von mir genommen, als Rose eine Party bei ihrem Schwarm erwähnte oder was auch immer der Quarterback war.
„Vergiss es, du wirst nicht über Nacht bleiben und denk dran, du bist um elf Uhr zu Hause.“, sagte er streng.
Rose schmollte sofort und verschränkte ihre Arme.
„Wieso darf ich nicht dort übernachten? Es wird nichts passieren. Es sind schließlich genug Leute da. Ich wäre nicht die einzige, die dort übernachtet. Bella hat gesagt, ihr Vater lässt sie dort schlafen.“
Esme seufzte, während Carlisles Augen sich verengten. Ich durfte mich jetzt nur nicht bewegen, am besten auch nicht atmen, sonst würde ich auch noch in der, was wahrscheinlich in einem bösen Streit enden würde, Diskussion auftauchen. Das brauchte ich nicht.
„Es ist mir egal, was Bella darf oder nicht. Du wirst um elf Uhr hier sein.“
„Aber Dad! Das ist nicht fair. Warum darf ich nicht? Du bist so gemein.“
Die Rede zog schon lange nicht mehr.
„Dann bin ich eben gemein, aber du wirst nicht bei Emmett übernachten. Wer weiß, was da alles passiert. Nein. Elf Uhr oder gar nicht.“
Rose wandte ihren Kopf ab, was ihren Blick dummerweise direkt auf mich richtete. Nicht atmen. Nicht bewegen. Keinen Mucks von dir geben, oder du bist aufgeflogen.
„Und was ist mit Edward? Er darf auch bis elf Uhr draußen rumlaufen-“ Kurze Anmerkung, das tat ich sowieso nie, aber ja ich hatte bis elf eigentlich immer zu Hause zu sein. „- das ist total unfair. Er ist zwei Jahre jünger als ich und darf genauso lang wegbleiben?“ Diese… Unfassbar.
Carlisles Blick traf mich wieder. Er schien nachdenklich. Oh Gott, bitte erlaub ihr einfach bis zwölf oder ein Uhr wegzubleiben, anstatt mich auf neun oder zehn Uhr zu reduzieren, nicht jetzt. Dann richtete er seinen Blick wieder auf Rose.
„Wenn du weiter mit mir diskutierst, musst du schon um zehn hier sein. Also akzeptier es einfach.“
Amen!
„Aber du hast Recht, was deinen Bruder betrifft. Es ist nicht fair. Edward, du wirst ab sofort um zehn zu Hause sein.“
Ich starrte ihn für eine Sekunde mit offenem Mund an. Unglaublich!
„Carlisle, das ist nicht fair. Ich darf immer bis elf Uhr draußen sein. Nur weil Rose es unfair findet, muss ich doch nicht bestraft werden. Ich war noch nie zu spät zu Hause, im Gegensatz zu ihr.“
Carlisle lief langsam rot an. Ein sicheres Zeichen, das seine Wut bald dort ankam, wo das Wort Hausarrest genauso oft viel wie die Worte ‚undankbare Kinder‘ oder ‚solange ich das Geld im Haus verdiene‘. Ja, gelegentlich sagte er solche klischeehaften Sachen. Aber leider zog er sie auch durch.
Esme spürte das scheinbar auch und versuchte es mit einem Kompromiss.
„Schatz, wie wäre es, wenn Edward weiterhin elf Uhr lassen und Rose stattdessen Mitternacht bekommt?“
Das schien ihm auch nicht zu passen. „Und was sie sollen sie daraus lernen? Dass sie alles bekommen, solange sie nur lang genug nerven?“
Oh ja, er war in Hochstimmung.
Ich hatte bereits meinen Kopf gesenkt und plante meine Rache an Rose. Sie hatte mich schließlich hier mit reingezogen. Ich spürte indes ihre tödlichen Blicke auf mir ruhen.
Esme seufzte, aber schien aufzugeben. Toll. Lief ja alles mal wieder super.
Carlisle warf mir kurz einen Blick zu. „Du, zehn Uhr. Keine Widerworte.“ Dann fiel sein Blick auf Rose. „Und du elf Uhr. Wenn noch einer von euch deswegen rumzickt, geht ihr beide diese Woche einfach überhaupt nicht weg. Ganz einfach.“
Natürlich war ich der einzige von uns beiden, der weise genug war, die Klappe zu halten.
„Das ist so unfair.“, murmelte Rose noch gut hörbar.
Ich zuckte zusammen, als Carlisles Hand auf dem Tisch aufschlug. „Hausarrest, beide, für eine Woche.“
Ich holte gerade Luft, um zu protestieren, als Carlisle fortfuhr. „Bei jedem Einspruch wird eine weitere Woche hinzugefügt.“
Ich ließ also meine Schultern hängen und schob mein Essen für den Rest des Abends lustlos auf dem Teller herum. „Darf ich aufstehen?“
Mit Absicht sah ich Esme an, während ich die Frage stellte. Sie würde mich wahrscheinlicher gehen lassen als Carlisle, der immer noch so aussah, als ob er was zum Thema Bella sagen wollte. Sie nickte und ich verschwand in Windeseile auf meinem Zimmer.
Ich schmiss mich auf mein Bett und starrte frustriert an die gegenüberliegende Wand. Wie konnte so ein Abend in so einem Desaster enden? Jetzt musste ich Bella morgen sagen, dass es nichts werden würde. Soviel zum Thema Außenseiter-Dasein ade.
Mürrisch setzte ich mich auf und beschloss mich duschen zu gehen und danach früh ins Bett zu gehen. Außer schlafen konnte ich eh nicht viel machen. Einen Fernseher hatte ich nicht und einen Laptop musste ich mir erst noch zusammensparen. Lust irgendetwas zu lesen hatte ich keine und Hausaufgaben hatte ich schon längst gemacht.
Zwanzig Minute später ließ ich mich ins Bett fallen und hatte mich bereits damit abgefunden, dass ich an meiner Situation nichts ändern konnte, als jemand an meine Tür klopfte.
Wenn es Carlisle war, wollte ich mich lieber schlafen stellen, als tatsächlich ein Gespräch mit ihm zu führen. Sollte es Rose sein, wäre ich zu versucht, ihr den Hals umzudrehen, als ihr zuzuhören. Und Esme war wahrscheinlich noch am Aufräumen.
Also beschloss ich einfach nicht zu reagieren und zu hoffen, dass, wer auch immer es war, den Hinweis verstehen und verschwinden würde.
Anscheinend war die Person jedoch eher ignorant, denn wenige Sekunden später öffnete sich die Tür und Rose stampfte in mein Zimmer.
„Unfassbar, oder?!“, motzte sie sofort los. „Dad ist so unfair.“
Ich seufzte und reagierte sonst überhaupt nicht. Ich drehte mich nicht mal um. Aber das interessierte Rose noch weniger. Sie glaubte wohl in mir einen Verbündeten gefunden zu haben. Eh, nein. Ohne sie wäre ich gar nicht in dieser Lage.
Dreist wie sie war legte sie sich neben mich und zickte weiter, wie unfair das alles wäre und das die Welt sich wohl gegen sie verschworen hatte und so weiter und sofort. Irgendwann wurde mir das Gezeter dann jedoch zu doof.
„Kannst du das fassen? Er weiß ganz genau, wie toll ich Emmett finde und jetzt kann ich nicht mal zu seinem Geburtstag gehen?“
Ich drehte mich abrupt um. Mein Blick musste ihr bereits verraten haben, dass ich wenig beeindruckt, sondern vielmehr sauer war.
„Weißt du, was ich noch nicht fassen kann? Das ich dank dir mein erstes Date mit Bella absagen muss. Nur weil du dich so ungerecht behandelt fühlst, ziehst du mich ständig mit in die Scheiße. Aber das Beste kommt ja noch! Danach kommst du jedes Mal zu mir und denkst, ich stimmte dir zu, wenn du eine Ewigkeit rumzeterst.“
Sie starrte mich bereits mit großen Augen an. Zugegeben, ich war noch nie so wütend auf sie gewesen und hatte es gezeigt, aber heute war sie zu weit gegangen. Aber sie erholte sich schnell.
„Du hast dich noch nie beschwert! Du hättest ja einfach was sagen können.“
Sie schmollte wieder und verschränkte ihre Arme.
„Weil es mir bis jetzt immer egal sein konnte. Ich habe keine Freunde hier in Forks, weshalb ich sowieso immer vor dem Abendessen hier bin, wenn ich nicht mal durch die Gegend laufe. Allein! Und jetzt – endlich! – spricht jemand außer euch mit mir und du hast es mir direkt versaut. Danke. Wirklich. Ich hatte schon befürchtet, dass ich meinen Ruf als Außenseiter und Freak einbüßen muss.“
Jetzt sah sie tatsächlich ein wenig Schuldbewusst aus. Sie holte Luft, um mir scheinbar darauf zu antworten, aber ich hatte heute wirklich keine Lust mehr, ihr zuzuhören.
„Da drüben ist die Tür und weißt du was? Du gehst jetzt durch sie raus und schließt die Tür hinter dir, weil ich es satt habe, dir zuzuhören. Lass mich einfach in Ruhe. Ich will jetzt schlafen, damit dieser Tag endlich ein Ende findet.“
Damit drehte ich mich um und zog demonstrativ die Decke bis zu meinem Kinn.
Sie atmete tief durch, bevor sie aufstand.
„Es tut mir leid.“, murmelte sie.
„Danke, das bringt mir jetzt auch nicht mehr viel. Aber damit dich das nicht um den Schlaf bringt, ist dir meinetwegen verzogen. Und jetzt geh.“, erwiderte ich müde.
„Nacht, Bruderherz.“, nuschelte sie, bevor sie zur Tür ging und sie hinter sich schloss.

Montag, 14. März 2011

02 And I thought ‚What the fuck?!‘

02 And I thought ‚What the fuck?!‘

Um Himmels Willen, wann hörte sie auf zu schreien?
Roses Freundin schrie sich gefühlte zehn Minuten die Seele aus dem Leib, direkt in mein Ohr. Ich sag euch, das ist echt unangenehm. Ich kniff die Augen zusammen und hielt mir die Ohren zu, in einem schwachen Versuch mich vor frühzeitiger Taubheit zu schützen.
Was hatte das Weib auch für ein Organ. Unmenschlich. Und musste sie nicht auch irgendwann Luft holen?!
Rose stürmte alarmiert in das Zimmer und stoppte direkt neben mir. Panisch sah sie erst Bella, dann mich an. Als ihr Blick jedoch bei mir ankam, wirkte sie eher wütend. „Was hast du Idiot angestellt?“, motzte sie mich an. Gar nichts!
Ich hätte es ja gesagt, aber ich bezweifelte, dass sie mich hören würde. Warum ich sie verstand? Das war eine Art Begrüßung zwischen uns.
Sie wandte sich wieder ihrer Freundin zu, nachdem sie keine Antwort von mir erhielt. Ich hatte schließlich nichts getan. Aber das ist ja der Witz an dem Ganzen. Wird man gefragt, ob man etwas getan hat, und man verneint, dann wird man trotzdem weiterhin verdächtig. Gibt man es zu, dann okay dann hatte man die Strafe wahrscheinlich verdient. Dennoch wurde man sogar als Unschuldiger ständig verdächtig und auch so behandelt. Im Bezug auf Rose und mich bedeutete das, dass ich prinzipiell an allem schuld war. Ungefragt natürlich. Man wusste schließlich bereits, dass ich der Schuldige war.
Ich sah Rose zu, wie sie ihre Freundin durchrüttelte und versuchte, die hysterische Braut irgendwie ruhig zu bekommen. Zum Glück waren unsere Eltern weg.
„Bella! Bella, verdammt! Reiß dich zusammen! Was ist los? Hat er was gemacht?“
Aber Bella reagierte nicht wirklich. Sie hatte nur aufgehört zu schreien und starrte mich jetzt an. Ich hatte doch nichts getan. Ich hatte nur versucht sie zu wecken! So wie sie da gelegen hatte, hätte sie sich morgen höchstens durch einen Sprung in den Rücken wieder in die Vertikale begeben können. Meine Absichten waren rein und ich hatte an nichts Perverses gedacht. Aber ich war schuld. Danke.
Rose sah abwechselnd von ihr zu mir und blieb letzten Endes wieder an mir hängen. Mental bereitete ich mich auf entweder eine Ohrfeige oder einen verbalen Gegenschlag vor – wobei der Gegenschlag unrechtens wäre, genauso wie die Ohrfeige. Ich betone, ich bin unschuldig!
„Was hast du gemacht, Edward! Sag es sofort oder ich rufe Mom und Dad an.“, drohte sie sofort. Gott, war sie heute empfindlich. Man könnte meinen, ich hätte mich an Bella vergangen. Wenn ich nicht davon überzeugt gewesen wäre, dass ich mir dadurch eine Ohrfeige garantiert eingefangen hätte, hätte ich einen unsichtbaren Heiligenschein über meinem Kopf geformt und Rose damit beworfen. Nur um meinen Standpunkt klar zu machen. Natürlich.
„Ich hab gar nichts getan. Ich hab versucht sie zu wecken und kaum dass sie wach wurde, fing sie an zu schreien. Ich schwöre!“
Man sah meiner Schwester an, dass sie mir ziemlich wenig Glauben schenkte. Wie auch immer.
Gerade wollte sie wohl zum verbalen Schlag ausholen, als Bella sich rührte. Sie zitterte am ganzen Körper und fing an zu weinen. Was zum? Ich war ein Kerl, der eindeutig nicht mit sowas klar kam. Gar nicht. Ich war schlecht im Trösten. Warum konnte sie nicht wieder schreien?
Rose wandte sich sofort ihrer Freundin zu. „Bella? Was ist los? Sag schon. Bitte, du machst mir hier ein wenig Angst.“
Bella schüttelte lediglich mit dem Kopf und weinte weiter. Ich war versucht, die Flucht zu ergreifen, aber Rose hätte mich dafür wahrscheinlich kastriert. Dafür war ich noch zu jung und auch im Alter würde ich die Idee immer noch miserabel finden.
Ich startete den Versuch, irgendwie hilfreich zu sein. „Vielleicht sollten wir ihre Eltern anrufen? Oder unsere?“ Ich war ratlos. Ich konnte mit Tränen nicht umgehen und wollte das hier nur so schnell wie möglich hinter mir haben.
Rose schüttelte ihren Kopf. „Ihre Tante ist nicht zu Hause. Und unsere werden wir sicher nicht anrufen.“, zischte sie. Eigentlich waren wir ja auch froh gewesen, dass sie nicht hier waren. Das Haus für uns. Aber ich war mir nicht so sicher, ob Rose das hier ganz unter Kontrolle hatte.
Mit einem Mal wurde Bella ganz ruhig. Sie wirkte seltsam gelassen, während sie ihre Augen wieder auf mich fixierte. Ihr Blick machte mir ein wenig Angst und mir lief ein Schauer über den Rücken.
Rose sah wieder zwischen uns her, aber blieb zum Schluss bei ihr hängen. „Bella? Geht es dir gut?“
Na offensichtlich nicht. Sie hatte gerade irgendwas, was stark nach einem üblen Alptraum oder einem Nervenzusammenbruch ausgesehen hatte. Wie sollte es ihr da gut gehen?
Aber Bella nickte. „Mir geht’s gut. Ich hatte nur… einen Alptraum.“, murmelte sie, ließ mich dabei jedoch nicht aus ihren Augen.
„Du hast uns einen ziemlichen Schrecken eingejagt. Es muss ja ein echt heftiger Alptraum gewesen sein.“
Bella nickte kurz in Rose Richtung. „Ja, ich… es war schlimm, aber er ist ja zum Glück vorbei.“ Sie lächelte schwach und wenig überzeugend. „Ich bin ziemlich müde. Ich glaube, ich will nur noch ins Bett.“
Rose nickte und beide standen auf. Ich zog nach, da ich garantiert nicht von Bella umgerannt werden wollte, da ich immer noch vor ihr kniete. Dabei kam ich ihr kurz ziemlich nahe, aber korrigierte das schnell, indem ich einen Schritt zurück machte. Die Situation war mir irgendwie ein wenig peinlich, weshalb ich leicht rot anlief und wegsah. Rose entging das nicht und sie warf mir noch kurz einen strengen Blick zu, bevor sie mit Bella nach oben verschwand.
Ich holte erst mal tief Luft. Was war das gerade gewesen? Hatte ich mir das nur eingebildet?
Ich zuckte kurz mit den Schultern. Es war schon nach 2 Uhr. Ich war geschlaucht und hatte wenig Lust mich jetzt mit dem Thema auseinander zu setzen. Also ging ich ebenfalls ins Bett.
Am nächsten Morgen oder vielmehr morgens ging ich runter in die Küche. Ich hatte erwartet, dass Rose und Bella sich in ihrem Zimmer verschanzt hatten und irgendwelche peinlichen Geschichten austauschten oder sowas, vielleicht auch eine Kissenschlacht veranstalteten. Nein, das war nur meine Phantasie, obwohl ich in dieser ungern meine Schwester sah, also ersetzte ich sie durch irgendein Mädchen aus der Schule. Besser.
Als ich in die Küche kam, war diese wie erwartet leer, aber aus dem Wohnzimmer kamen Geräusche, die eindeutig vom Fernseher stammten.
Ich hätte einen Blick auf mich werfen sollen, bevor ich das Wohnzimmer betrat, denn dort saß Bella. Allein. Und starrte mich gerade äußerst merkwürdig an. Ihr Blick wanderte einmal komplett über meinen Körper, was ich nicht allzu schlimm fand, bis mir wieder einfiel, in was für einem Aufzug ich runtergekommen war. In Shorts. Nur Shorts. Nicht mal Socken.
Spontan wurde ich rot und nuschelte ein kurzes ‚Bin gleich wieder da‘, bevor ich die Flucht ergriff. In meinem Zimmer angekommen, zog ich mir erst einmal eine Jogginghose und ein T-Shirt an, bevor ich wieder runterging und mich weiter blamierte.
Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, liefen die Nachrichten und Bella war verschwunden. Huh. Ich setzte mich auf die Couch und verfolgte wenig interessiert, was gerade berichtet wurde. Mein Interesse schrumpfte enorm, kaum dass Bella wieder ins Zimmer kam und sich dicht neben mich auf die Couch fallen ließ.
Ich beobachtete sie aus dem Augenwinkel und bemerkte schnell, dass sie genauso wenig an dem Wetter interessiert war wie ich. Nein, sie schien sich mehr für mich zu interessieren. Um genau zu sein, starrte sie mich die ganze Zeit an, bis ich nachgab.
Wartete sie auf irgendetwas?
Dann fiel mir die Situation von gerade eben wieder ein. Ich lief sofort wieder rot an. „Also wegen gerade eben. Ich ähm… normalerweise laufe ich nicht so durchs Haus, wenn wir Besuch haben… Rose würde mich köpfen, wenn sie davon erfahren sollte. Also kein Wort, ja?“
Bella lachte und legte ihren Kopf leicht schief. „Interessant. Ich hab dich also in der Hand oder vielmehr deinen hübschen Kopf.“ Hübsch? Sie hatte hübsch gesagt. Wer hat das noch gehört? Bitte Hand heben.
„Sieht wohl so aus.“, murmelte ich, während ich langsam einer Tomate glich. Wie peinlich. Sonst wurde ich nicht so schnell rot.
„Hm. Ich sag dir was. Wir machen einen Deal.“, erklärte sie mit einem fetten Grinsen auf ihrem Gesicht.
Ich sah sie etwas skeptisch an. Einen Deal? Das konnte nur schlecht für mich enden.
„Was für einen Deal?“
Ihr Grinsen wurde noch breiter und zeigte ihre strahlend weißen, geraden Zähne. Sie jagte mir kurz Angst ein. „Ich verrate dich nicht bei Rose, wenn…“ Sie ließ den Satz in der Luft hängen.
„Wenn was? Nur vorab ich bin kein Sklave, der dir deine Hausaufgaben macht oder deine Wäsche wäscht oder sowas.“ Es sei denn es handelt sich dabei um deine Spitzenunterwäsche, endete ich in Gedanken. So langsam holten mich meine Gedanken vom gestrigen Abend wieder ein.
In der Schule war es schlecht gelaufen. Ich hatte nachsitzen müssen wegen etwas, das ich nur teilweise zu verantworten hatte. Der andere, Mike Newton, kam ohne Bestrafung davon, was mich, denke ich, berechtigterweise wütend machte.
Danach hatte ich einen Englischtest zurückbekommen, für den ich wahrscheinlich eine Woche mein Handy einbüßen musste, und dann hatte mich meine Mitfahrgelegenheit sitzen lassen.
Ich hatte also recht schlechte Laune, als ich nach Hause kam. In der Küche hatte ich sie durchaus bemerkt und wäre mein Tag nicht so beschissen gelaufen, wäre ich wahrscheinlich auch freundlicher ihr gegenüber gewesen, aber ich war so frustriert.
Ich hielt die Konversation auf einem Minimum und blieb in meinem Zimmer. Meine schlechte Laune ließ ich schon lange nicht mehr an Rose aus, seit diese mir eindrucksvoll bewiesen hatte, dass sie das extrem hasst und mir dies auch gerne zeigte. Wir hatten beide nach ihrem Tritt Hausarrest bekommen. Ich, weil ich zutiefst beleidigend gewesen war – was ich so im Nachhinein auch bereute – und sie, weil sie den Versuch gestartet hatte, meine nächste Generation oder vielmehr die Chance auf eine solche zu reduzieren.
Nachts war ich dann runter in die Küche gegangen und hatte mir nur ein Wasser holen wollen, als ich das Rauschen des Fernsehers aus dem Wohnzimmer gehört hatte. Und da hatte Bella gelegen. Äußerst verdreht. Die Position hatte alles andere als bequem ausgesehen, als hatte ich beschlossen sie zu wecken. Naja, den Rest kennt ihr ja schon. Wo wir wieder bei der jetzigen Situation angekommen wären.
„Ich sag es nicht, wenn du mit mir auf ein Date gehst.“
Mir stand der Mund offen. Was, warum, wieso? Wieso fragte ein Mädchen wie Bella mich – ausgerechnet mich – nach einem Date oder vielmehr zwang mich dazu. Nicht dass ich mich beschwerte oder so. Ich meine, sie bekam doch sicher locker einen Freund, den sie haben wollte. Warum dann ich?
Ich stand also ein wenig auf dem Schlauch. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“, harkte ich ungläubig nach.
Sie lachte und ich dachte schon, sie würde jetzt sowas wie ‚April, April‘ sagen, aber stattdessen schüttelte sie nur ihren Kopf und murmelte: „Das wird ein Spaß.“
Ich sah sie immer noch mit großen Augen an. „Doch, ich meine das ernst. Du, ich, ein Date. Ganz einfach. Noch nächste Woche. Wohin ist dir überlassen.“
Ich öffnete meinen Mund, schloss ihn dann aber wieder, als mir nichts darauf einfiel. Verwirrt zuckte ich langsam mit den Schultern. „Öhm, okay?“
Sie grinste. „Gut. Dann wär das ja geklärt. Bevor ich gehe, sagst du mir dann, wann unser Date stattfindet.“
Bevor ich noch etwas hinzufügen konnte, ging die Haustür auf und Rose stand mit einer Tüte vom Bäcker von uns. „Frühstück ist da.“